Kunstrestitution

NAGPRA als Vorbild für die deutschen Behörden: Ein Vergleich der Gesetze für die Restitution von indigenen Kulturgütern in den USA und Deutschland

 

Abstrakt

Wie unterscheiden sich die Gesetze für Kunstrestitution in Deutschland und Amerika? Dieser Aufsatz vergleicht die deutschen Gesetzen mit dem North American Graves Repatriation and Protection Act (NAGPRA). Er untersucht die Fälle der Kágaba-Masken und der Tlingit- und Haida- Hüte, um zu zeigen, wie Kulturgüter genommen und diesen Gesetzen gemäß zurückgegeben werden. Er argumentiert, dass NAGPRA ein Vorbild für die deutschen Behörden sein soll, weil er die Interessen der indigenen Gruppen mit deren des Museums balanciert.

Einleitung

Im Jahr 2022 begann der Preußische Kulturbesitz, Gespräche mit der Regierung Kolumbiens und der einheimischen Gruppe Kogi zu führen. Die Gruppe fordert, dass das Ethnologische Museum in Berlin die im Jahr 1915 vom deutschen Ethnologen Konrad Theodor Preuss inventarisierten Masken zurückgibt. Diese Masken sind nicht nur künstlerisch wichtig, sondern haben auch eine besondere kulturelle Bedeutung für die Kogi, die diese Masken in gegenwärtigen Ritualen benutzen möchten (Humboldt Forum 2022). Im Jahr 2016 passierte etwas Ähnliches jenseits des Atlantiks. The University of Pennsylvania Museum of Archeology and Anthropology, oder einfach das „Penn Museum”, führte Gespräche mit den Tlingit und Haida Indian Tribes über die Rückerstattung zweier Hüte, die im frühen 20. Jahrhundert von einem Mitarbeiter des Museums gekauft wurden. Diese Masken haben einen hohen religiösen Wert für diese einheimischen Gruppe, die sich im Südosten Alaskas befindet (Penn Museum 2016). Dass diese beiden Güter einen besonderen religiösen oder kulturellen Wert haben, ist wichtig. Es gibt andere, oft strengere Gesetze für die Rückerstattung solcher Güter im Vergleich zur Kunst, die einheimischen Gruppen gehört (Kuprecht 2020: 156). Wie unterscheiden sich die Gesetze für die Restitution von kulturellen oder religiösen Gütern in Amerika und Deutschland?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich diese zwei Fallbeispiele analysieren und vergleichen. Was sind die Geschichten dieser Kulturgüter? Welche Gesetze wurden erlassen? Wie verliefen die Verfahren? Was können Behörden von denen des anderen Landes lernen? Ich erkenne an, dass diese zwei Fälle ganz verschiedene Kontexte haben. Der eine handelt von Verhandlungen zwischen einem Museum und einer Gruppe, die wegen der vielen historischen und oft gewalttätigen Begegnungen mit der Regierung des Landes, in dem sich dieses Museum befindet, nun eine rechtliche Position hat. Der andere ist wesentlich internationaler. Trotz dieser Differenzen können diese Fälle verglichen werden, um mehr über die Kontexte der beiden Länder zu lernen und festzustellen, ob ein Land in Bezug auf die Frage der Restitution ein Vorbild für das andere sein könnte.

Die Geschichte der Kulturgüter und wie sie von den Museen erworben wurden

Um die Jahrhundertwende gab es ein zunehmendes Interesse an dem Sammeln und der Bewahrung von Objekten, die aus Regionen außerhalb Europas stammen. Einige sammelten solche Güter, um die wissenschaftliche Forschung zu erweitern. Andere wollten die Legitimität ihrer Nation unterstreichen oder einfach reich werden (Habermas 2019: 85). Aber ein anderer Grund war vorherrschend. Um 1900 gab es eine sehr populäre Vorstellung, dass die Objekte der außereuropäischen Welt gerettet werden müssen, denn die Bevölkerung, die diese Dinge herstellte, sei dem Untergang geweiht (ibid.: 79). Indem man diese Objekte sammelt, rettet man diese Objekte für die Nachwelt, so dieses Narrativ. Diese rassistische Idee war nicht nur in der Ethnologie, sondern auch in weiten Teilen der bürgerlichen Gesellschaft der Zeit verbreitet (ibid.: 79-80). Sie half den Museen und Forschern, indem sie ihre Arbeit rechtfertigte. Es war in diesem Kontext, dass Museen wie das Ethnologische Museum oder das Penn Museum die Objekte, die ich in diesem Aufsatz untersuche, erwarben. 

Die ersten Objekte, mit denen ich mich auseinandersetze, sind zwei Masken. Die Masken gehören der indigen Gemeinschaft der Kogi – oder „Kágaba”, wie die Gruppe sich nennt – aus der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien. Sie haben einen rituellen Hintergrund und haben auch heute noch sakrale Bedeutung für die Kágaba (Humboldt Forum 2022). Momentan werden diese Masken im Ethnologischen Museum des Staatlichen Museums zu Berlin verwahrt (Burkhard 2022). Wann und wie wurden diese Masken in ein deutsches Museum gebracht? Welche für Forderungen gibt es, diese Masken zurückzugeben?

Diese Maske hat rituelle Bedeutung für die Kágaba, aber momentan befindet sie sich in einem deutschen Museum (Humboldt Forum 2022).

Konrad Theodor Preuss erwarb diese Masken 1915 während einer Forschungsreise. Preuss arbeitete als Ethnologe und Kustos am Königlichen Museum für Völkerkunde. Zwischen 1913 und 1919 nahm Preus an einer Forschungsreise nach Kolumbien teil, wo er über 700 Objekte zusammentrug (Humboldt Forum 2022). Unter anderem nahm er die zwei Masken von einem der Erben eines verstorbenen Priesters, „dank einer günstigen Gelegenheit” (Preuss 1919: 331). Diese Masken wurden von Generation zu Generation von Priestern weitergegeben und deswegen „unveräußerliche Gegenstände” (Humboldt Forum 2022). Die Umstände, in denen die Masken genommen wurden, sind nicht klar. Aber Preuss, wenn seiner Nacherzählung zu glauben ist, erkannte, dass er diese Masken nur erwerben konnte, weil der Mann, mit dem er sprach, kein Priester war: „Sonst ist es beinahe unmöglich, solche alten Kultgegenstände zu erlangen” (Preuss 1920: 331). Die aktuelle Kustodin des Ethnologischen Museums sagte jüngst, dass es ganz klar sei, dass diese Masken unrechtmäßig nach Berlin gebracht wurden (Oltermann 2023). 

Die Behörden des Museums waren seit einigen Jahren in Gesprächen mit Vertretern der indigen Gruppe über die Rückgabe ihrer Objekte. Das Museum und die Botschaft von Kolumbien in Deutschland nahmen Gespräche auf, nachdem im Jahr 2022 Kolumbien formell um die Rückgabe der Masken bat (Burkhard 2022).  

Wie im Fall der Kágabi-Masken wurde beim Penn Museum in Philadelphia, Pennsylvania, eine Forderung von einer indigen Gruppe gestellt, wertvolle religiöse Objekte zurückzugeben. Im Gegensatz zum Fall mit dem Ethnologischen Museum wurden diese Objekte im Jahr 2015 – zwei Hüte, die den Tlingit und Haida Indian Tribes gehörten und sich seit dem frühen 20. Jahrhundert im Museum befundenen – tatsächlich zurückgegeben. Wie wurden diese Hüte angeeignet und warum wurden sie zurückgegeben? 

Der „Basketry Whale Hat” wurde dem Tlingit und Haida Stamm zurückgegeben (Penn Museum).

Der erste Hut heißt „Basketry Whale Hat.” Er wurde im 19. Jahrhundert geschaffen und gehört dem L’ooknax.adi (Coho) Clan des Tlingit, das sich in Sitka, Alaska, befindet. Der zweite Hut, der den Tlingit und Haida zurückgegeben wurde, heißt „Raven of the Roof Hat” und gehört demselben Clan. Wie der „Basketry Whale Hat” hat dieser einen hohen religiösen und sakralen Wert (Notice of Intent 2011: 9051).

Diese Hüte wurden von Louis Shotridge, der selbst dem Tlingit gehörte, erworben. Zu der Zeit arbeitete Shotridge mit dem Penn Museum, um Objekte zu sammeln. Im Jahr 1925 kaufte er sowohl das Whale Hat als auch das Raven of the Roof Hat mit vier anderen Objekten für 640 Dollar in Sitka, Alaska, für das Penn Museum (Notice of Intent 2011: 9051). Er zeichnete die Geschichte dieser Objekte – wer sie besaßen usw. – fleißig auf (Penn Museum 2016).

Der „Raven of the Roof” Hut befindet sich momentan auf Lager im Penn Museum (Penn Museum).

Seit 2010 forderten Vertreter der Tlingit und Haida, dass die im frühen 20. Jahrhundert von ihnen genommenen Güter zurückgegeben werden sollen. Sie verklagten das Penn Museum, um diese Güter zu erhalten (Tawa 2010). Nachdem das Penn Museum Gespräche mit dem Stamm führte und historische Dokumente über die Geschichte der Hüte analysierte, entschied sich das Museum, dass diese zwei Hüte sakrale Bedeutung haben (Notice of Intent 2011: 9051). Deswegen wurde im Jahr 2011 das Museum dem Native American Graves Protection and Repatriation Act entsprechend gezwungen, diese zwei Hüte zurückzugeben. Der Stamm erhielt die Hüte im Jahr 2015 zurück. 

Trotz ihrer religiösen Bedeutung wurden sowohl die Masken aus Kolumbien als auch die Hüte aus Alaska im frühen 20. Jahrhundert von Museen erworben. Die Rückgabeprozesse liefen aber ganz anders. Im Fall der Kagába Masken ist es viel internationaler, da es sich um Handlungen zwischen der Regierung Kolumbiens und einem deutschen Museum handelt. Im Fall der Tlingit- und Haida-Hüte handelt es sich hingegen um Verhandlungen zwischen einem Stamm und dessen nationaler Regierung. Wie genau funktionieren die Rechtsmechanismen in diesen verschiedenen Kontexten? 

Die Gesetze, die die Restitution der indigenen Kulturgüter regulieren

Da der Fall der Kágaba-Masken die Verhandlung zwischen zwei souveränen Staaten betrifft, ist es schwierig festzustellen, welche Gesetze für die Restitution von Kulturgütern gelten sollen. Auf der internationalen Ebene gibt es verschiedene Gesetze, die die Restitution von Kulturgütern regulieren, die aber nicht immer von Staaten befolgt werden. Ein wichtiges Gesetz ist die Unidroit-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter von 1995. Obwohl sie nicht rückwirkend ist und die Bundesregierung Deutschlands sie nicht ratifizierte, berücksichtigt die Konvention die Rechte der indigenen Gruppen (Kuprecht 2020: 157). Zum Beispiel schafft sie in Fällen von gestohlenen Kulturgütern, die von Eingeborenen oder Stammesgemeinschaften stammen, die Verjährungsfrist ab (ibid.: 158). Ebenso wichtig ist die UN-Deklaration von 2007, die besagt, dass indigene Völker „das Recht auf die Bewahrung, die Kontrolle, den Schutz und die Weiterentwicklung ihres kulturellen Erbes” haben. Die Konvention gibt indigen Völker auch das Recht, ihre sterblichen Überreste zurückzubekommen und ihre Ritualgegenstände zu benutzen (ibid.: 159-60). 

Obwohl diese internationalen Gesetze Rechte für indigene Völker garantieren, sind Staaten nicht gezwungen, sie zu respektieren. Ein Staat würde nicht formell bestraft werden, wenn er diesen Regeln nicht folgt. Das ist eines der größten Probleme mit internationalem Recht (Kuprecht 2020: 158). 

Auf nationaler Ebene gibt es auch viele Hürden, die die Rückgabe von indigenen Kulturgütern von deutschen Einrichtungen verkomplizieren. Zuerst muss beweisen werden, ob der rechtmäßige Eigentümer des Objekts die Person oder die Einrichtung ist, die es besitzt. Laut dem Prinzip lex rei sitae, das in Deutschland gültig ist, gilt das jeweils geltende Recht am Ort des Erwerbsvorgangs. Wenn ein Kulturgut den jeweils geltenden Gesetzen gemäß erworben wurde, muss es nicht legal zurückgegeben werden. Das ist aber schwierig festzustellen, denn die meisten Erwerbsvorgänge dieser Kulturgüter liegen mehrere Jahrzehnte zurück und fanden an Orten statt, an denen die Rechtslage ganz anders als heute war (Kuprecht 2020: 154).  

Andere Prinzipien würden Anspruch auf diese Kulturgüter erlauben. Laut dem Prinzip nemo dat kann Eigentum an gestohlenen Sachen nicht erworben werden. Das heißt, wenn ein Objekt nicht legal erworben wurde und ein Museum es kauft, dann ist dieses Museum nicht der Eigentümer (Kuprecht 2020: 154). Des weitere besagt das Prinzip res extra commercium, dass eigene Objekte wie diejenigen einer Kirche nicht gehandelt werden können (ibid.: 155-6). Diesen Prinzipien gemäß sollten rituell oder kulturell wichtige Objekte von indigenen Gruppen nicht in deutsche Museen gebracht werden. 

Die Rückgabe der indigenen Kulturgüter ist sehr kompliziert. Es gibt internationale Verträge zu diesem Thema und besondere Rechtsprinzipien regulieren den Erwerb und die Rückgabe von Eigentum. Trotzdem werden solche Gesetze oder Prinzipien kaum benutzt, um Museen oder andere Einrichtungen zu zwingen, indigene Kulturgüter zurückzugeben. Es spielt eine zentrale Rolle, dass diese Fälle oft Verhandlungen zwischen einem Stamm und einer Einrichtung oder Regierung betreffen, die sich in anderen Ländern befinden, spielt eine zentrale Rolle. Wie das Beispiel der Kágaba-Masken zeigt, müssen indigene Stämme sich oft auf formelle Anforderungen verlassen, um ihre Objekte zurückzubekommen, da Gesetze deutsche Einrichtungen kaum dazu zwingen, sie zurückzugeben. 

In den USA ist die Situation ganz anders, denn die Stämme und Einrichtungen, die miteinander über die Rückgabe religiöser Objekte verhandeln, befinden sich im selben Land. Die Gesetze, die die Rückgabe der Kulturgüter regulieren, spiegeln diesen Kontext wider. Der Native American Graves Protection and Repatriation Act wurde im Jahr 1990 vom US-Kongress verabschiedet. Es war ein Versuch, den unethischen Umgang mit den First Nations und ihrer Kunst und Objekten zu beheben. Er fordert, dass jede Einrichtung des Bundes und jede Organisation, die Bundesmittel erhält, Informationen über Grabstätten, menschliche Überreste sowie heilige und Beisetzungsobjekte, die sich in ihrem Besitz befinden, an den entsprechenden Native American Nations weitergibt. Auf Antrag müssen die Museen solche Objekte den Nations zurückgeben. Diese Organisationen können mit Strafen bedroht werden, falls sie diesen Regeln nicht folgen (Leduc 2022: 30). 

Das Gesetz reguliert auch, wie Museen und Nationen miteinander umgehen sollen. Er ist besonders wichtig, weil er den Nationen viel Macht gibt. Die Stämmen statt der Museen oder deren Kuratoren können die Heiligkeit eines Objekts – einer der Faktoren, die benutzt werden, um zu entscheiden, ob ein Objekt zurückgegeben werden soll – bestimmen. Obwohl die Nationen beweisen müssen, dass ein Objekt ihnen tatsächlich gehört, ist dieser Prozess dank dem Konzept der „kulturellen Zugehörigkeit”, das dem Gesetz unterliegt, relativ einfach (Leduc 2022: 30). 

Im Fall der Tlingit- und Haida-Hüte galt dieses Gesetz. Da bewiesen wurde, dass die Objekte dem Stamm gehörten und derzeit eine religiöse Bedeutung für ihn hatten, musste das Museum die Hüte rückerstatten.

Seitdem ich die legalen Kontext für Restitution in Deutschland und Amerika schon skizzierte, wird der nächste Abschnitt analysieren, was die deutschen Behörden von NAGPRA lernen können.

Was die deutschen Behörden von NAGPRA lernen können

NAGPRA wurde im amerikanischen Kontext geschaffen. Der Act reguliert, wie Staaten und Bundesmittel erhaltenen Organisationen indigene Objekte zurückgeben sollen. In Deutschland hingegen gibt es kein Gesetz für die Rückerstattung solcher Güter. Die Regierung und die Museen müssen sich auf internationale Verträge verlassen, da die Handlungen über die Rückerstattung fast immer international sind. Das heißt, dass die Deutschen NAGRPA nicht einfach kopieren könnten. Trotzdem schlage ich vor, dass dieses Gesetz eine Art Vorbild für die deutsche Regierung sein könnte. 

NAGPRA sollte ein Vorbild für deutsche Behörden sein, weil es die Interessen der indigen Gruppen priorisiert und ein „bottom-up” statt „top-down” Modell ermöglicht (Leduc 2022: 34) Das Gesetz gibt Stämmen die Kraft, die Rückgabe ihrer Güter zu fordern. Wenn ein Stamm glaubt, dass ein Museum sein heiliges Objekt besitzt und Beweise dafür zeigt, dann wird ein Museum dem Gesetz gemäß gezwungen, diese Anforderung für die Rückerstattung in Erwägung zu ziehen. Im Beispiel der Tlingit- und Haida-Hüte musste das Penn Museum die Anforderung befolgen, da NAGPRA galt. Das ist normalerweise unmöglich, wenn das internationale Recht gilt. Im Fall der Kágaba Masken zum Beispiel musste sich der Stamm auf die Regierung Kolumbiens verlassen, um ein deutsches Museum zu kontaktieren. Obwohl die Regierung Kolumbiens in diesem Fall hilfreich war, nimmt nicht jeder Staat diese Verantwortung so aktiv wahr (Kuprecht 220: 158). Das heißt, NAGPRA sollte ein Vorbild sein, weil es indigene Interessen priorisiert und erlaubt, dass ihre Anforderungen von Museen berücksichtigt werden.

In einer ähnlichen Weise ist das Gesetz vorbildlich, denn die Nations – nicht die Museen – müssen bestimmen, ob ein Objekt heiligt ist. Wenn bewiesen wird, dass ein Objekt heilig ist, dann muss es zurückgegeben werden. Es ist ebenfalls relativ einfach zu bestimmen, wem ein Objekt gehört, dank des vom Gesetz vorgeschriebenen Prinzips der „kulturellen Zugehörigkeit”. Laut diesem Prinzip müssen keine unbestreitbaren Beweise vom Stamm vorgestellt werden, um zu zeigen, dass dieses Objekt tatsächlich ihm gehört. Andere Umstände wie Geographie, mündliche Überlieferung oder Religion könnten benutzt werden, um zu beweisen, dass das Objekt einem bestimmten Stamm gehört (Leduc 2022: 30). Da NAGPRA die Autorität der indigen Gruppen priorisiert und den Prozess, durch den der Besitzer eines Objektes bestimmt wird, vereinfacht, ist dieses Gesetz für die deutschen Behörden vorbildlich. 

Obwohl NAGPRA aus meiner Sicht die Interessen der indigen Gruppen priorisiert, ist es auch gut, denn es etabliert klare Regeln für Museen. Laut diesem Gesetz muss nicht jedes von indigenen Gruppen erworbenen Objekt, das sich in einem Museum befindet, rückerstattet werden. Das Gesetz erfasst nur heilige und religiöse Objekte, „unabhängig davon, wie sie erworben wurden, wie populär sie beim Besucher sind oder welchen Wert sie haben” (Leduc 2022, 34). Dass das Gesetz nur auf diese Güter beschränkt ist, könnte den Museen versichern, dass ihre Sammlungen nicht entleert werden. In diesem Sinn ist das Gesetz eine Art Kompromiss: die indigenen Gruppen können ihre bedeutendsten Güter zurückbekommen und die Museen können andere Güter erhalten. 

Trotz dieser Vorteile des Gesetzes gibt es natürlich auch Nachteile. Der ganze Prozess der Rückerstattung kann bürokratisch sein und lange dauern. Nicht jede indigene Gruppe hat die Ressourcen, die Provenienz ihrer genommenen Güter zu erforschen und ein Museum zu verklagen (Leduc 2022, 32). Ebenfalls könnte man sagen, dass das Gesetz nicht mächtig genug sei; alle Güter, die von Museen illegal erworben wurden, sollen den Stämmen zurückgegeben werden, nicht nur denen, die eine besondere religiöse Bedeutung haben. Ich erkenne diese Schwäche des Gesetzes an, aber argumentiere dennoch, dass die deutschen Behörden von ihm lernen können. 

Wenn zum Beispiel ein deutsches Museum oder die deutsche Regierung in Verhandlungen mit indigenen Gruppen eintreten würde, soll anerkannt werden, dass religiöse Objekte einzigartig sind. Es sollte die Priorität sein, solche Güter zurückzugeben, weil sie so integral für das gegenwärtige Leben und die Identität der Stämme sind. Sowohl NAGPRA als auch internationale Abkommen wie die Konvention die Rechte der indigenen Gruppen erkennen die Tatsache an, dass religiöse Objekte von besonderer Bedeutung sind. Das heißt, deutsche Einrichtungen sollen dies auch tun. 

Die Bundesregierung Deutschlands könnte Abkommen mit anderen individuellen Ländern in Südamerika oder Afrika vereinbaren, die etablieren, dass indigene Gruppen die Chance haben sollen, die Rückerstattung ihrer religiösen oder heiligen Güter zu fordern. Museen in Deutschland könnten ebenfalls solche Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen schaffen. Das würde zeigen, dass die deutsche Regierung und deutsche Einrichtungen sich für das internationale Recht und die Rechte der indigenen Gruppen einsetzen, was ihre Reputation auf inländischer und internationaler Ebene erhöhen könnte (Boehme 2022, 4). 

Museumbehörden würden wahrscheinlich zurückhaltend sein, solche Abkommen zu vereinbaren, weil ihnen der Verlust ihrer Macht und ihres Einfluss drohen könnten. Die Museen könnten gezwungen werden, Teile ihrer Sammlungen zurückzugeben und zu gestehen, dass diese Objekte sich von vornherein nicht im Museum befinden sollten, was ihre Legitimität beeinträchtigen könnte. Wenn ein Abkommen geschaffen würde, das wie NAGPRA klare Grenzen und Regeln über die Arten von Gütern, die zurückgegeben werden sollen, etabliert, dann könnten Museen bereiter sein, sie zu akzeptieren. Die Museen sollten auch verstehen, dass solche Vereinbarungen ihre Legitimität erhöhen könnten. Wenn religiöse oder heilige Objekte von Museen rückerstattet werden, zeigt es, dass das Museum sich tatsächlich für das Wohl der indigenen Gemeinschaften interessiert.

Schlussfolgerung

Dieser Aufsatz beschäftigte sich mit den Gesetzen für die Restitution von religiösen und kulturellen Objekten in Deutschland und den USA. Er untersuchte die Geschichte der Masken des Kogi Stamms aus Kolumbien und die Hüte des Tlingit und Haida-Stamms aus Alaska, genauer, wie diese Objekte am Anfang des 20. Jahrhunderts in ein deutsches und amerikanisches Museum verbracht wurden. 

Der zweite Abschnitt untersuchte die Gesetze, die die Rückerstattung der Objekte erlaubten. Die Bundesregierung Deutschlands soll internationale Verträge befolgen, die die Rückerstattung indigener Güter regulieren. Aber auf einheimischem Niveau gibt es keine konkreten Gesetze, die die Rückerstattung dieser Güter erfordern. Deswegen musste sich der Stamm im Fall der Kogi Masken auf die Außenminister Kolumbiens verlassen, um die deutsche Regierung und das Museum dazu zu bringen, die Objekte zurückzugeben. In den USA andererseits gibt es den NAGPRA. Dieses Gesetz erfordert unter anderem, dass Objekte, die eine religiöse oder kulturelle Bedeutung für den Native American First Nations haben und sich in einer durch Bundesmittel finanzierten Einrichtung befinden, zurückgegeben werden müssen. Im Fall der Tlingit- und Haida-Hüte wurde dieses Gesetz verwendet, um die Rückerstattung dieser Objekte vom Penn Museum an den Stamm zu erfordern. 

Im dritten Abschnitt argumentierte ich, dass NAGPRA ein Vorbild für die deutschen Behörden sein sollte, weil es aus meiner Sicht die Interessen der indigen Gruppen priorisiert und den Museen versichert, dass nicht ihre ganzen Sammlungen entleert werden, indem es klare Regeln dafür feststellt, welche Objekte zurückgegeben werden müssen und wie sie zurückgegeben werden sollen. 

 Zukünftige Forschungen könnte die Gesetze zur Restitution in Deutschland mit denen eines anderen europäischen Landes vergleichen. Frankreich wäre ein gutes Beispiel, da die Regierung dieses Landes sich mit dem Thema intensiv auseinandersetze. Im Jahr 2017 kündigte Emmanuel Macron an, dass die während der Kolonialzeit erworbene Kunst an die afrikanischen Ländern rückerstattet werden soll. Ein Jahr später wurde ein von ihm beauftragter Bericht veröffentlicht, der zu der Rückerstattung dieser Kunst aufforderte und Gespräche über Kunstrestitution in anderen europäischen Ländern inspirierte (Savoy 2022: 1). Wie in Deutschland – und anders als in den USA – handelt die Lage in Frankreich von Verhandlungen mit ehemaligen Kolonien. Das heißt, dass der Kontext ähnlich ist. In einer zukünftigen Studie könnte untersucht werden, wie die Kunstrestitution mit nationaler Identität nicht nur in den ehemaligen Kolonien, sondern auch mit den ehemaligen Kolonialmächten verbunden ist.

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